TAMARA HÄRTY
mail@tamarahaerty.de
fon 0049 175 5926046
M. Arch. / Dipl. - Ing. / BDIA
Forschungsstelle Psychotropy und Irrationales
Die Tausend Träume von Stellavista
Sensibilisierung / Beobachtung von Atmosphäre I+II
PSYCHOTROPY
Publikation ISBN 978-3-940092-04-5
Haben Gebäude Macht über uns? Die Frage nach der emotionalen Qualität von Architektur wird in der Theorie immer wieder gestellt. Warum wirken welche Räume in welcher Weise auf den Betrachter? Diese ewige Frage wird in letzter Zeit verstärkt auch unter medientheoretischen Aspekten verhandelt. Wird etwa der architektonische Raum als „Immersive Environment“ diskutiert, geht er definitorisch immer fließender in einen Bildraum bzw. letztlich den Betrachter über. Vor diesem Hintergrund wird nicht zuletzt verständlicher, wie das Berliner Stadtschloss gleichsam aus dem Grab heraus nicht nur die Debatte über die Berliner Stadtmitte (und damit die Verfasstheit der Republik als Ganzes) dominiert, sondern den realen physischen Raum aus seiner Abwesenheit heraus prägt und verändert.
„Schema zur Funktionsweise und Darstellung von Psychotropie.“
„Irgend etwas hatte die normale Perspektive des Raumes verändert. Während ich versuchte, meine Augen auf die graue Wellenbewegung in der Decke einzustellen, war mir, als hörte ich draußen Schritte. Tatsächlich begannen sich die Korridorwände leicht zurückzuziehen, der Eingang, normalerweise ein fünfzehn Zentimeter breiter Schlitz, hob sich, um jemanden einzulassen. Nichts kam hindurch, dennoch weitete sich der Raum, um eine zusätzliche Anwesenheit unterzubringen, die Decke wölbte sich nach oben. Erstaunt versuchte ich meinen Kopf stillzuhalten und beobachtete, wie die unbesetzte Druckzone sich schnell durch den Raum auf das Bett zubewegte. Ihre Bewegung war von einem Dom in der Decke begleitet. Die Druckzone hielt am Fußende des Bettes an und zögerte einige Sekunden. Aber statt sich zu stabilisieren, begannen die Wände unglaublich schnell zu vibrieren, auf sonderbare Weise zu zittern und ein Gefühl von großer Dringlichkeit und Unentschlossenheit auszustrahlen. Dann wurde der Raum plötzlich still. Eine Sekunde später, als ich mich auf einen Ellbogen gestützt aufrichtete, zog sich der Raum in einem gewaltigen Krampf zusammen, verbog die Wände und hob das Bett in die Höhe. Das ganze Haus begann zu schaukeln und sich zu drehen. Das Schlafzimmer zog sich, von diesem Anfall erfaßt, zusammen und weitete sich wieder wie die Kammern eines sterbenden Herzens; die Decke hob und senkte sich, der Fußboden schwankte.“ (1962 , „Thousand Dreams of Stellavista“, James G. Ballard)
DIE TAUSEND TRÄUME VON STELLAVISTA
„Der Mensch ist der Schöpfer seiner eigenen Welt. Er erfindet seine Wirklichkeit selbst, bestimmt eigenständig seine Realität. Er schöpft selbst und zerstört selbst. Er entwickelt und entwirft seine Evolution der Dingwelt, Werkzeuge, Maschinen, Architekturen; kreiert so Gegenständliches und Form, aber auch Bewegung, Schnelligkeit und Kraft. Beschleunigt die Zeit durch Geschwindigkeit, gewinnt den Raum durch Produktion, Verdrängung und Masse. Erobert sich so Zeit und Raum. Er verfolgt weiterhin sein großes Ziel auch Geist zu schaffen um irgendwann die Schöpfung der Natur zu übertreffen, worin der Ursprung seiner Suche nach dem Geist der Dinge und auch nach dem Geist in der Architektur verborgen liegt. „Kein anderes Tier verwandelt so radikal seine Umwelt. ... Er hat keinen festen Ort in der Natur, in der Welt, er ist nicht in ihr verankert und beheimatet, sondern unablässig gezwungen, seinen Ort, seine Welt überhaupt erst zu schaffen, zu entwerfen, zu verwerfen und wieder neu zu schaffen, ohne je zur Ruhe zu kommen, weil es für ihn -die- Welt gar nicht gibt.“ (Hannes Böhringer, „Auf der Suche nach Einfachheit“)“
(aus „Die Tausend Träume von Stellavista“, Tamara Härty, 2010)
KUPPEL
„– Der Berliner Reichstag beherbergt mit dem Deutschen Bundestag, das Parlament der Bundesrepublik Deutschland als einziges direkt vom Deutschen Volk gewählte Verfassungsorgan des Bundes. Er ist damit eine Schnittstelle zu den Bürgern und metaphorisch gesehen der Ort der Deutschen Wünsche. Tatsächlich warten täglich im Durchschnitt 8.000 Besucher geduldig darauf das Gebäude -Platz der Republik 1- besuchen zu dürfen. Im Eingangsbereich muss eine Schwelle der Kontrolle durchschritten werden um den Wunschort betreten zu dürfen. Es finden eine Röntgenkontrolle von Taschen, Mänteln und anderen Gegenständen sowie eine Eingangskontrolle mit Metalldetektoren statt. Oben schrauben sich Besucher die 230m lange Auf- und Abspirale in der 23,5m hohen aufgelagerten Glaskuppel hinauf. Als ob die 1.200 Tonnen schwere Krone an Gewicht nicht schon alleine ausgereicht hätte; handelt es sich dabei doch um eine Art der Selbstkrönung des Bundestages. Während früher durch das Gottesgnadentum die Macht von Himmel herab gedeutet wurde, will sich hier das Bild aufdrängen das Volk in den Himmel zu heben. Wobei es eigentlich nur darum geht den Himmel ins innere hineinzuprojizieren.
Der scheinbar transparent offene Reichstag ist abgekapselter als er sich darstellt, denn es findet keine tatsächliche Verbindung ins Innere statt. Er erscheint als Enklave, – aber von was? Angetrieben durch die Energie ahnungsloser Besucher, die unaufhörlich durch die sicher abgetrennte Kuppel in das Parlament eingespeist wird. Der innere Rüssel im Zentrum der Menschenmasse wird gleichzeitig als Ausatmungsorgan des Organismus verwendet, während das Licht des Himmels durch die große gläserne Öffnung, zusätzlich mit Spiegeln verstärkt nach innen gesaugt wird. Das energetische Gravitationszentrum scheint im Zentrum des Gebäudes zu stecken und haufenweise Energie zu verschlingen. Es sitzt direkt unter der Kuppel, im Plenarsaal. Während die Atmung und feinstoffliche Kraftzufuhr nach oben durch die Kuppelöffnung und stetige Bewegung der Besucher gesichert wird, – auch die Aufladung mit Wunschvorstellungen trägt ihre Stärke dazu bei, – erfolgt die Antriebskraft der Materie durch zwei Bio-Diesel-Blockheizkraftwerke, die zusammen 82% ...“ („Psychotropie“, Publikationsreihe „Disko“, Tamara Härty, 2011, akacemie c/o)
PSYCHOTROPIE
„Der Begriff der Psychotropie eröffnet eine neue Lesart von gebautem Raum, Architekturen und Städten. Teil davon ist das Erkennen von anderen Zusammenhängen, zusätzlichen Wirksamkeiten und Kräften im Feld der Architektur. Psychotropie ermöglicht eine differenzierte Art der Wahrnehmung, die eine Auflösung der Subjekt-Objekt-Grenze beinhaltet. „Ich bin in der Welt enthalten, aber die Welt ist auch in mir enthalten“ (Blaise Pascal) oder nach Bourdieu, „Realität existiert zweimal, einmal in den Dingen und einmal in den Köpfen.“
In den Städten ist der Mensch der Schöpfer, der Welt in der er lebt. Sein Bewusstsein koppelt sich von der natürlichen Welt und deren Gesetzmäßigkeiten ab. Er ist dabei ganz sich selbst ausgeliefert, plant und baut auf diesem Weg seine innere Welt in den Außenraum. Architektur und Stadt sind wesentlicher räumlicher Bestandteil der menschengemachten Umwelt und als externalisiertes Produkt der menschlichen Psyche zu verstehen. Daher als eine Art Metapher, Spiegel- oder Reflektionsfläche des Inneren, als nach außen gebauter innerer Raum.
Gleichzeitig lebt der Stadtmensch ganz intensiv in einer bereits von anderen Menschen in der Vergangenheit gebauten Umwelt. Mit dieser muss er umgehen, sie wirkt auf ihn ein, drängt sich in sein Leben, bestimmt es in großem Maß, dominiert so auch Handlungen und Aktivitäten. Immer mehr Einflüsse auf psychisches und physisches Handeln kommen aus der selbstgeschaffenen Stadtrealität, Zivilisation und Kultur; sind dadurch selbstkopierend und potenzieren sich ununterbrochen. Der Grad der Vermenschlichung der Raumproduktion in den Städten ist deshalb rasant ansteigend. Die veräußerte Psyche vorheriger Generationen wird wiedergekäut, somit erneut bewusst und unterbewusst verwertet und abermals externalisiert – wird so immer konzentrierter, machtvoller und ungefiltert menschlicher. Dadurch kann es aber auch zu Übersteuerungen oder Vervielfältigungen von Denk- und Erkennungsprozessen kommen. Muster und Fehler können sich einfacher duplizieren und tief verwurzelte Neurosen die Oberhand gewinnen. Verloren Geglaubtes kann wieder anschwellen und sich in die Realität durchdrücken.
Es entsteht so ein handlungswirksamer Apparat an Architekturen, Strukturen, Abhängigkeiten, Kontrolle und wechselseitiger Manipulationen, der durch seine Wesenhaftigkeit eigenständige Lebendigkeit erfährt. Dieses Geflecht an psychischen sowie physischen Einflussgrößen und zeitlichen Rückkopplungen bildet psychotropisches Potential aus. Abläufe, Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen sind zunehmend unvorhersehbar und verstärken sich mit zeitlicher Dauer. Ein weiteres Merkmal der Psychotropie ist daher eine emergente Entwicklungstendenz, die als Gesamtbewegung einer Art Abwärtsspirale folgt.
Städte können durch die Anhäufung von Gebäuden als ganzheitlicher Organismus verstanden werden, der auf vielerlei mikro- und makrokosmischen, psychischen und physischen Ebenen funktioniert und eigene Identität herausbildet. Gleichermaßen kann man Psychotropie von der Ebene der Stadt auf die Architektur oder das einzelne Haus übertragen.
Die psychotropische Wirksamkeit kann sogar noch intensiver werden bei der Vorstellung im Inneren eines einzelnen Gebäudes zu leben, das von allen Seiten umschließend seine ungedämpften Expressionen und Absonderungen aufdrängt. Im Lauf der architektonischen Existenz speichert das Gebäude zahlreiche Informationen, Kontext, Stimmungen und Erfahrungen, erfährt vielseitige Bedeutungsaufladung durch vergangene Benutzer, psychische Konflikte und Hirngespinste. Es ist selbst gebautes Inneres und gibt die damit verbundenen Vorstellungen, Wünsche, Konflikte, Psychosen und Störungen weiter ab, – ebenso nachträglich erfahrene Aufladungen und Ablagerungen. Der erneute Gebrauch, impliziert automatisch das stille Einverständnis mit der psychischen Vergangenheit von Architektur und die Freiwilligkeit sich auf ein solches Verhältnis einzulassen. Andererseits ermöglicht der Gebrauch das Einschreiben des neuen Bewohners in den Stammbaum der Architektur. Im Umkehrschluss bietet sich jedem Bewohner ein Möglichkeitsraum, der ihm die Chance gibt sich selbst in die Substanz einzuprägen. In welchen Maß das passiert, mit welcher Intensität und zeitlichen Wirksamkeit sind dabei die variablen Faktoren. Es entsteht eine aktive Hausgemeinschaft zwischen Bewohner und Gebäude. Der emergente Loop von Rückkopplung, Resonanz und Korrelation ist gestartet und schreitet unaufhaltsam fort. Am Ende kann alles in völlig entgrenzter Parteinahme an der Architektur, trotz absurder Selbstentmachtung des Bewohners und zunehmender Entartung der eigenen Persönlichkeit gipfeln.
Architektur, Stadt und gebaute Umgebung erfahren durch psychotropische Betrachtung eigene Handlungskraft und wesenhafte Lebendigkeit. Sie mutieren zu autarken Kontinuen mit innerem Kreislauf und schleierhaften Gesetzmäßigkeiten. Das architektonische Wesen verdaut kontinuierlich die Einflussnahme und Einschreibung des Menschen. Es erzeugt daraus psychotropisch gefolgerte Unvorhersehbarkeiten, – während die Bewohner durch die Architektur und deren Aneignung ihre eigene Psyche nach außen bauen um sich unaufhaltsam von ihrer Umgebung traumatisieren zu lassen. Architekturen und Städte werden charakterstarke, eigenständige Akteure. Sie bilden Stimmungen heraus, die sie aussenden und reflektieren, verstärken und eigens kreieren. Verselbständigung, massive Einflussnahme, aktiv ausgelöste Ereignisketten und hervorgerufene Handlungen implizieren die Eigenwilligkeit, Identität und Persönlichkeit psychotropischer Gebilde und Strukturen.
Der sich abzeichnende Begriff der Psychotropie, ermöglicht eine Lesart von Architektur, Stadt und Lebensraum aus einer anderen Perspektive. Psychotropie macht dadurch ungesehene Zusammenhänge sowie Interaktionen zwischen dem Lebewesen Mensch und dem Wesen der menschengemachten Umwelt sichtbar. Abhängigkeiten der inneren Logik und des äußeren Erscheinungsbildes von Gebautem, damit verbundene Aktivitäten und ausgelöste Ereignisse können differenzierter erfasst werden.“ („Psychotropie“, Publikationsreihe „Disko“, Tamara Härty, 2011, akacemie c/o)
ATOMKRAFTWERK
„1443 findet das Berliner Stadtschloss durch Kurfürst Friedrich II. seinen Ursprung als markgräfliche Burg. 1706-1713 verdoppelt es sich durch Eosander nach Westen und nimmt mehr Raum ein. Bereits 1750 wird kurzerhand die Ausrichtung des Schlosses geändert, der Dom im Süden abgerissen und am Lustgarten in markanter Größe neu aufgebaut. Die Kuppel hat 1845 ihren Ursprung und braucht acht Jahre um geboren zu werden. Sie wurde also nur 31 Jahre vor dem Reichstag gebaut, dessen Grundsteinlegung 1884 durch Wilhelm I. begleitet wurde, während der Schlussstein 1894 unter Wihelm II. gesetzt wurde.
Der Reichstagsbrand am 28.02.1933 entkernt das Gebäude und setzt es weitestgehendst außer Kraft, die Kuppel wird aber instandgesetzt. Das selbstkrönende Element der Architektur bleibt vorhanden und man will es sich offensichtlich nicht nehmen lassen, während die AEG darin Funkröhren produziert, ein Lazarett eingerichtet wird, die gynäkologische Station der Charité dahin verlegt wird und einige Hundert Berliner im Reichstagsgebäude unter der Kuppel geboren werden.
Im Mai 1944 wird das Schloss durch eine Luftmine getroffen. Beim Luftangriff vom 3. Februar 1945 auf Berlin brennt es schließlich bis auf den weißen Saal und einige Räume völlig aus. Beide, Reichstag und Schloss erfahren eine Vernichtung durch Feuer.
Im selben Jahr, am 6. August 1945 werfen die Amerikaner die Atombombe auf Hiroshima und verursachen unabsichtlich die kuppelgekrönte Ruine Genbaku Dome. Die erste Atomkuppel ist geboren und das Motiv setzt sich weiter fort. Während ein Atomkraftwerk das innere nach aussen baut, ist die Atomkuppel in Hiroschima die Ruine der von Außen nach Innen eingeprägten Atombombe, also der Umkehrschluss eines Atomkraftwerkes.
Mit der Sprengung des Stadtschlosses 1950 durch die DDR Regierung werden alle Kuppelreste beseitigt. Am 22. November 1954 fällt die Kuppel des Reichstages und wird ebenfalls gesprengt. Deutschland ist jetzt ohne jede Kuppel mit tatsächlichem Machtanspruch und Regierungsfähigkeit. Schon wieder erleben beide Gebäude dasselbe Motiv in ihrer gleichartigen Zerstörung. Ist vielleicht die Sprengung, als eine Vorstufe der Atomexplosion zu deuten und damit ein sehr frühes und noch unentwickeltes Aufleben der Kuppelvorherrschaftsfrage. Weiterhin drückt sich die psychotropische Atomkuppel in die Welt. Erst noch relativ weit entfernt in Japan. Bis 1954, im selben Jahr der Reichstags-Kuppel-Sprengung, Stalin seinen Traum vom „Roten Atom“ erfüllt und das erste zivile Atomkraftwerk der Welt in Obninsk (Russland) errichtet.
Ab 1955 setzt die Kuppelbildung durch Franz Josef Strauß ein, die sich bis 1989 fortsetzt. Auch der Super-GAU 1986 in Tschernobyl kann die einmal in Gang gebrachte Entwicklung von Atom-Kuppel-Psychotropie der Deutschen nicht stoppen. Es zeigen sich bereits emergente Entwicklungstendenzen, denn trotz zahlreicher Warnungen vervielfältigen psychotropisch befallene Menschen Atomkuppeln ohne ihre eigene zunehmende Selbstentmachtung überhaupt zu bemerken. Das passende Gegengewicht zu so vielen machtansprucherhebenden selbstkrönenden Atomkuppeln ist offensichtlich noch nicht gefunden. Schloss und Reichstag sind entkrönt und entmachtet, nur die Atomkraftwerke scheinen wirksame Kuppel-Dominanz abzubilden.
1988 setzt Gottfried Böhm auf dem Papier ein zweidimensionales Zeichen durch seinen Reichstagsentwurf mit Kuppel im Auftrag von Bundeskanzler Helmut Kohl. Dieser Entwurf zeigt bereits eine Glaskonstruktion mit spiralförmig aufsteigenden Gehwegen für die Besucher und er ist offensichtlich die Grundlage für die schließlich von Norman Foster widerwillig realisierte Glaskuppel.
Ab 1993 findet der letzte Wettbewerb zur Neugestaltung des Berliner Reichstages statt. Erst 1999 wird der Deutsche Bundestag wieder einziehen, wenn die Bauarbeiten beendet sind und die erste Plenarsitzung unter der neu errichteten Kuppel stattfindet. Bis dahin müht sich Lord Norman Foster übelst an der Geburt der neuen Reichstagskuppel ab. Das deutsche Kuppelgleichgewicht ist nicht so einfach wieder herzustellen, nachdem es über so lange Zeit aus der Waage gekommen war. Der erste Reichstags-Entwurf sieht noch komplett anders aus und fasst unter dem Motto „Alle unter einem Dach“ den Reichstag und die Fläche davor als Riesentankstelle auf. Auch die Leuchtturmidee wird abgewehrt, bis schließlich der Beschluss im Bundestag gefällt wir, dass die Kuppel ein Muss ist. Foster quält sich mit ungefähr 20 Entwürfen und zahlreichen Modellen offensichtlich regelrecht ab, bis endlich die Entscheidung auf die heute realisierte Variante fällt. 1)
Auch die Schlosskuppel meldet sich wieder und drückt sich langsam in die Realität, ist doch ihr alter Gegenspieler der Reichstag wieder erwacht. 1992 gründen sich die privaten Initiativen „Gesellschaft Berliner Schloss e.V.“ und „Förderverein Berliner Schloss e.V“. Kurz darauf tritt das Schloss erstmals in Erscheinung und macht durch die Schloss-Simulation 1993-94 auf sich aufmerksam. Am 4.7.2002 fällt der Bundestagsbeschluss zum Schlossbau.
Kaum ist der Bundestag unter der Reichstagskuppel angekommen erlässt er ebenfalls 2002 parallel zum Schlossbau das „Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“ (BGBl. I S. 1351). Deutsche Atomkraftwerke antworten seither protestierend mit ca. 1.000 Störfällen im Zeitraum zwischen 2001 und 2007.
Inzwischen verdoppelt sich der Reichstag unbemerkt nach Georgien. Micheil Saakaschwili ist seit 2004 Präsident. Im selben Jahr begann er damit den Präsidentenpalast in Tiflis in Anlehnung an den deutschen Reichstag zu verwirklichen. Es waren unter anderem auch die selben Firmen, die ihn durch ihre Reichstagserfahrung dabei tatkräftig unterstützten. 2009 wurde der Glaskuppelgekrönte Neubau des römischen Architekten Michele De Lucchi fertig gestellt. Es kommt dabei die Frage auf, wie eigentlich diese psychotropische Verlinkung und Verdopplung der deutschen Kuppel nach Georgien zu bewerten ist und was uns das sagen soll?
Am 24.04.2010 gipfelt die Psychotropie in seltsamen Ereignisketten. Am Tag der 120.000-Menschenkette zwischen den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel und den 20.000 Umzinglern von Biblis, begeht gleichzeitig ein Besucher des Berliner Reichstages vermeintlich Suizid, durch das Springen in einen der Innenhöfe. Auch im Juni 2010 häufen sich die Ereignisse um die Machtfrage der Kuppel und deren Dominanz im zwischenarchitektonischen Gefüge. Der Schlossbau wird plötzlich auf 2014 verschoben, während das Berliner Lego-Land gerade erst beginnt ein Lego-Stadtschloss für 24.000 € aufzubauen. 2) Im selben Moment verdrängt der Reichstag durch das Schwarz-Gelbe Sparpaket das Stadtschloss und will in Zukunft noch stärker Schmarotzer des Atomprofits werden. Energiekonzerne werden künftig eine neue Brennelementesteuer zahlen müssen, damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren Atomlaufzeiten abgeschöpft werden. Die Kraftwerksbetreiber E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW sollen jährlich mit insgesamt etwa 2,3 Milliarden Euro steuerlich belastet werden. 3)
Bis 2014 ist angedacht 9,2 Milliarden Euro in den Staatshaushalt fließen zu lassen und für 2014 ist ebenfalls der Neustart des Aufbaus des Berliner Stadtschlosses geplant. Das Melken der Atomkraftwerke kommt also direkt der Schlosskuppel zugute?
Wenn alles planmäßig verläuft werden 2020 die letzten Atomkraftwerke vom Netz genommen, das Schloss ist wieder aufgebaut, frisch eingeweiht und durch die eben fertiggestellte U55/U5 als große U-Bahnstation mit dem Reichstag direkt als pulsierende Ader verbunden. Berlin würde durch die beiden Kuppeln dem Motiv der Dopplung innerhalb der Stadt weiterhin folgen, ebenso durch die Dopplung der U5 zur U55. Da es sich aber um unvorhersehbare Verselbständigung von Psychotropie handelt kann hier noch viel dazwischen kommen. Immerhin ist im Herbst 2013 die nächste Bundestagswahl. Außerdem stellt sich nun nicht mehr nur die Frage nach der Deckung des Stombedarfes und der Stabilität im Stromnetz, sondern auch nach der Deckung des Finanzbedarfes und der Stabilität des Haushaltes.“ ... („Psychotropie“, Publikationsreihe „Disko“, Tamara Härty, 2011, akacemie c/o)
1) Oscar Schneider, „Kampf um die Kuppel“, Bouvier, 2006, S.136
2) http://www.legolanddiscoverycentre.de/berlin/de/news-and-events/news/stadtschloss.htm